ES BRAUCHT ETWAS NEUES.
Warum wir bei Bündnis 90/Die Grünen austreten und was wir vorhaben.
Seit Jahren ist vor allem eines: Krise. Die Zukunft macht uns mehr Angst als Hoffnung. Das Aufstiegsversprechen gilt für unsere Generation nicht mehr. Immer mehr Menschen erleben, dass über ihre Köpfe hinweg Politik gemacht wird. Die Lebensmittelpreise steigen, die Mieten explodieren, harte Arbeit erfährt kaum noch Wertschätzung. Wir beobachten mit Sorge, dass viele Menschen gerade den Glauben daran verlieren, dass es irgendwann mal besser werden kann. Die Wahlergebnisse in Thüringen, Sachsen und jüngst am Sonntag in Brandenburg zeigen das. Die AfD profitiert von diesem Frust.
Wir merken von Tag zu Tag deutlicher, dass es dringend eine politische Kraft braucht, die Schluss damit macht, wie aktuell Politik gemacht wird. Die auch diejenigen begeistert, die schon lange nicht mehr das Gefühl haben, dass auch für sie Politik gemacht wird. Die sich um die großen und kleinen Sorgen der Menschen kümmert und der Vereinzelung ein Miteinander entgegenstellt. Eine politische Kraft, die dafür kämpft, die Wirtschaft endlich in den Dienst der Menschen zu stellen.
Wir sind alle innerhalb der letzten zehn Jahren den Grünen beigetreten, weil wir dachten, sie könnten diese Kraft werden. Doch unsere Zweifel daran sind immer größer geworden. So groß, dass wir uns als gesamter Bundesvorstand der GRÜNEN JUGEND, gemeinsam mit Ehemaligen, dazu entschieden haben, heute bei Bündnis 90/Die Grünen auszutreten und nicht erneut für den Bundesvorstand zu kandidieren.
Woher diese Zweifel rühren und was wir jetzt vorhaben, wollen wir im Folgenden erklären:
Vor der letzten Bundestagswahl hofften viele Menschen auf einen Politikwechsel: mehr soziale Gerechtigkeit, mehr Klimaschutz, Fortschritt. Doch die Ampel ist eine bittere Enttäuschung. Wirksame Kritik an der Regierung kommt nur von rechts: Sie können die Schwächsten auch deshalb so gut gegeneinander ausspielen, weil es derzeit niemanden gibt, der den großen Konflikt in unserer Gesellschaft – zwischen Arm und Reich, Oben und unten – ernsthaft führt. Die Reichen lehnen sich zurück, während die Rechten die Ärmsten dazu anfeuern, sich um die Krümel zu prügeln.
Die Grünen sind nicht dazu bereit, sich mit den Reichen und Mächtigen anzulegen.
Wir haben in den letzten Jahren immer wieder erlebt, dass die Grünen nicht dazu bereit sind, sich mit den Reichen und Mächtigen anzulegen. Wir leben aber in einer Welt, in der Krankenhauskonzerne Gewinne auf dem Rücken von Beschäftigten und Patienten machen. In der Energiekonzerne weiterhin Milliardengeschäfte mit der Zerstörung der Natur machen. In der Immobilienkonzerne noch den letzten Cent aus ihren Mieter:innen herauspressen. In der die Milliardäre immer reicher werden, während das Leben für große Teile der Bevölkerung schier unbezahlbar wird. Wer sich in diesen Konflikten nicht für eine Seite entscheiden will, entscheidet sich dafür, dass es genau so weitergeht. Wer sich weigert, die Reichen zur Kasse zu bitten, lässt im Ergebnis die breite Bevölkerung bezahlen. Das sehen wir besonders beim Klimaschutz.
Wer aber wirklich etwas verändern will, muss auch diejenigen erreichen, deren Recht auf ein gutes, selbstbestimmtes Leben, frei von Abstiegsängsten und Armut jeden Tag verletzt wird – Menschen, die systematisch überhört werden. Wir sehen keine relevante Bewegung in der Partei, zu einer politischen Kraft zu werden, die konsequent an der Seite dieser Menschen steht. Diejenigen, die es versuchen, scheitern systematisch daran, weil sie wegen der Politik, die die Grünen in der Ampel mittragen, einfach nicht glaubwürdig sind. Und auch wenn sich die Partei programmatisch immer wieder gute Anliegen vornimmt: am Ende zählt die Politik, die man umsetzt. Wir wissen, dass es vielen Grünen nicht gut geht mit der unzureichenden Politik, die sie mitverantworten. Aber für diejenigen, die unter dieser Politik leiden, ist das kein Trost.
Die Grünen werden immer mehr zu einer Partei wie alle anderen.
Die Grünen sind einmal angetreten, um die Welt zu einer besseren zu machen – und viele Grüne haben nach wie vor große Ziele. In ihrem Handeln hat sich die Partei allerdings immer weiter angepasst. Wir haben erlebt, wie eigene Vorhaben immer weiter zurechtgestutzt werden. Der Unterschied zu den anderen Parteien der Mitte schrumpft immer weiter. Die Grünen werden immer mehr zu einer Partei wie alle anderen. Doch welchen Unterschied macht sie dann noch?
Statt sich gegen ein System zu wehren, das immer wieder Gewinner und Verlierer produziert, die Gleichheit der Menschen systematisch untergräbt und uns mit voller Wucht in die Klimakrise katapultiert, finden sich die Grünen zunehmend damit ab, den Status Quo zu verwalten.
Das zeigt sich auch an ihrem Regierungshandeln: Oft rechtfertigen sie sich damit, dass es ohne sie immer schlimmer käme. Und so werden kleine Zugeständnisse zu großen Verhandlungserfolgen. Aber das reicht uns nicht. Denn wer immer nur Schlimmeres verhindert, beantwortet nicht die Frage, was zu tun ist, um in Zukunft Besseres zu ermöglichen. Das sehen wir zum Beispiel an der Asyl- und Migrationspolitik der Ampel, die wohl selbst unter der großen Koalition undenkbar gewesen wäre. Wir glauben, dass die Grünen vor lauter vermeintlicher Sachzwängen aus dem Blick verlieren, welche Politik sie da eigentlich mittragen.
Vielleicht fahren viele Grüne ihre Ansprüche herunter, weil sie denken, dass nicht mehr möglich ist. Das sehen wir anders! Wir glauben, dass eine grundsätzlich andere Gesellschaft möglich wird, wenn wir es schaffen, einen Zusammenschluss all derer zu bewirken, für die ein “Weiter so” keine Option ist.
Aus dieser Logik heraus können wir uns erklären, warum die Grünen in der Bundesregierung handeln, wie sie handeln. Im Ergebnis müssen wir sagen: Ob Lützerath, das 100 Milliarden Euro Sondervermögen für die Bundeswehr, die Asylrechtsverschärfungen oder die Sparpolitik: Wir sind nicht länger bereit, unseren Kopf für eine Politik hinzuhalten, die wir falsch finden.
Wir wollen grundsätzlich anders Politik machen!
Die Entwicklungen der letzten Jahre haben uns vor die Frage gestellt, wie wir stattdessen Politik machen wollen. Dabei ist uns klar geworden: Wir wollen Politik für und mit der Nachbarin machen, die sich fragt, wie lange sie sich das Leben in der Stadt noch leisten kann. Mit der Pflegekraft, die sich fragt, wer sie eigentlich pflegt, wenn sie am Ende ist. Mit dem Studenten, der sich fragt, ob er sich das WG-Zimmer mit einer zweiten Person teilen muss, weil er es allein nicht mehr bezahlen kann. Mit der Auszubildenden in der Lausitz, die sich fragt, ob ihre Heimat in zehn Jahren zu einem lost place wird, weil alle wegziehen.
Mit all diesen Menschen wollen wir den Druck organisieren, der nötig ist, damit die Krisen endlich enden, damit wir wieder hoffnungsvoll in die Zukunft blicken können.
Wir kennen Menschen bei den Grünen, die unsere Kritik teilen und auch schon seit Jahren für einen Kurswechsel streiten. Wir haben das auch getan. Wir sind zu der Einschätzung gekommen, dass wir auf der Stelle treten und sich die Grüne Partei nicht so grundsätzlich ändern wird. Dann wäre sie vielleicht auch nicht mehr die Grüne Partei. Deswegen gehen wir im Guten, denn wir glauben, dass wir unsere Ziele besser verfolgen können, wenn wir nicht länger Teil der Partei bleiben. Wir passen einfach nicht mehr zusammen. All jenen, die unsere Einschätzung, an welcher Stelle auch immer, nicht teilen und weiter um den Kurs der Partei ringen wollen, wünschen wir alles Gute.
Wir haben uns deshalb für diesen Schritt entschieden, die Grünen und die GRÜNE JUGEND zu verlassen. Gemeinsam mit ehemaligen und langjährigen Mitgliedern der GRÜNEN JUGEND wollen wir eine neue, linke Jugendorganisation gründen.
Unser Ziel: Wir wollen dazu beitragen, dass es bald eine starke linke Partei in Deutschland geben kann. Eine Partei, die nicht so ist wie alle anderen.
Wir hören nicht auf, Politik zu machen. Wir fangen jetzt erst richtig an.
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Svenja, Katharina, Jonathan, Jannika, Magdalena, Nicolas, Julia, Pia, Heinrich, Charlotte, Sarah Lee und Klara am 26. September 2024
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